Abseits von den allgemein eher bekannten Beispielen aus den Bereichen Lebensmittel (Schlagobers/Sahne, Topfen/Quark), Maßeinheiten (Pfund gibt's nicht in Österreich, Dekagramm nicht in Deutschland) und Uhrzeiten (3/4 12 = eine Viertelstunde vor 12 Uhr) umfasst die deutsche Sprache oberhalb bzw. unterhalb der sogenannten Sahne-Grenze aber auch noch sehr viele andere, nicht so geläufige unterschiedliche Wörter.
Nun schon das 8. Jahr im Ruhrpott ansässig finde ich naturgemäß nicht mehr so viele neue Wortpaare bzw. Begriffe, die in meinem Alltag die Unterschiedlichkeit im Sprachgebrauch in Österreich und im nördlichen Deutschland dokumentieren – Austriazismen, die mir trotz inzwischen so langem Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen spontan in den Sinn und somit auch über die Lippen gekommen sind.
Aber einige neue "Kostbarkeiten" gibt's doch immer zu vermelden. Die Wortpaare erscheinen weiterhin in der zeitlichen Reihefolge, wie sie mir gerade begegnen!
Meine Vokabel-Liste ab 2020
Tipp: Wenn Du wissen willst, ob ich in einer meiner beiden Vokabel-Listen für ein bestimmtes Wort eine Übersetzung von deutsch auf österreichisch bzw. umgekehrt existiert, gib erst den Begriff in der rechten Menüleiste ins Suchfeld ein! Es erscheint die Seite, auf der das Wort zu finden ist.
Hernach mit Strg + f das allgemeine Suchfeld Deines Browsers öffnen und dort erneut den Begriff eingeben, was Dich dann endlich direkt zum gesuchten Vokabel führt.
Die Rast und die Raste
2020 – keine Zeit für mich zu "rasten"! Irgendwie greift dabei gerade wieder einmal alles passgenau ineinander – alles "rastet" richtig "ein" ! In einem telefonischen Vorgespräch mit der Journalistin Stefanie Vollmann zum geplanten WDR-Beitrag über die VILU-Sitzkissen überlegen wir gemeinsam, wo Outdoor-Sitzkissen in Verwendung gezeigt werden sollten.
Ich schlage eine nahe gelegenen Stiege/Treppe, die zu einem S‑Bahn-Übergang hinaufführt, vor, da man sich auch dort "ausrasten" könne.
Ich ernte daraufhin herzlich schallendes Gelächter – und wieder war ein typisch deutsch-österreichisches Wortpaar gefunden:
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
sich ausrasten | sich ausruhen |
Im Österreichischen und Süddeutschen hat der Ausdruck "ausrasten" nämlich zwei Bedeutungen:
- "ausrasten" im Sinne von "sich ausruhen", eine Pause/Rast einlegen.
(Im Mittelhochdeutschen speziell für Heilige im Sinn von "im Grab ruhen" gebräuchlich.) - Die Bedeutung "ausrasten im Sinne von "die Nerven verlieren, durchdrehen" kennt man in Österreich und in ganz Deutschland.
(Ursprungswort ist dabei "die Raste" = eine Vorrichtung, in die etwas einrasten kann.)
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
Die Einbrenn | Mehlschwitze |
Biskotte | Löffelbiskuit |
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
raunzen | weinerlich klagen |
Schnalle im Sinn von Türschnalle Dementsprechend spricht ein "Schnallendrücker" an vielen Stellen vor, um etwas zu erreichen, er "antichambriert" (= allmählich veraltend). | Klinke, Drücker Der "Schnallendrücker" heißt in Deutschland "Klinkenputzer". Durch das viele Berühren der Klinken macht er diese sauber. |
Unlängst benötigte ich zum Nähen meiner Designer-Community-Masken aus der Serie der Gütermann-Allesnäher einen speziellen Farbton.
Nachdem ich das Dortmunder Nähmaschinen-Geschäft Blättermann betreten hatte, wo sich die Garne gleich nach der Türe rechts befinden, gab ich der herankommenden Verkäuferin mit einem erklärendem "Ich benötige nur eine Nähseide" Bescheid. Schließlich haben wir gerade Corona und trotz Mund-Nase-Maske muss sie mir ja nicht näher kommen als nötig.
Die Verkäuferin wollte mir daraufhin erklären, dass es im Laden keine Seidengarne, als Fäden aus Seide, zu kaufen gäbe.
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
Nähseide: Der Begriff deckt alle Garnarten zum Nähen ab | Nähgarn |
Ich mutmaßte sofort, dass ich erneut einen österreichischen Ausdruck verwendet hätte, denn seit gut einem halben Jahrhundert steht das Wort "Nähseide" bei mir für alle Nähfäden, stellt also einen Überbegriff dar.
Das scheint aber so möglicherweise nicht zu stimmen, denn auch laut diesem deutschen Stoff-Lexikon deckt dieser Begriff alle Garnarten zum Nähen ab. Ich muss also noch andere Näherinnen befragen …
Herstellerfirmen prägen die Sprache
Das Tixo
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
Tixo | Tesafilm |
Der Name "Tixo" für einen durchsichtigen "Klebestreifen" ist in Österreich so gut eingeführt, dass viele glauben, es handle sich um die im deutschen Sprachraum allgemein gültige Bezeichnung.
Tixo geht auf die 1887 gegründete Firma Koreska zurück. Im Jahr 1984 sind die Rechte am Markennamen Tixo an die Firma Beiersdorf, Hamburg, übergegangen, die ihrerseits den Namen Tesa geprägt hat.
Robert Sedlaczek, das österreichische Deutsch,S. 394.
Der Zipp
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
Zipp | Reißverschluss |
Der Ausdruck Zippverschluss stammt von englisch to zip (= mit einem Reißverschluss verschließen) und ist von einem Firmennamen abgeleitet.
Im Straßenverkehr: Reißverschluss, Gurten und Autobahnvignette
Im Straßenverkehr spricht man allerdings sowohl in Deutschland als auch in Österreich von einem "Reißverschlusssystem". Gemeint ist das abwechselnde Einreihen von Fahrzeugen, wenn zwei Spuren zusammenführen.
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
Vorrangstraße ![]() | Vorfahrtstraße![]() |
Vorrang geben ![]() | Vorfahrt gewähren! ![]() |
Gurtenpflicht | Gurtpflicht |
Seit 1. Juli 1984 wird in Österreich bestraft, wer im Auto nicht angegurtet ist. Seit diesem Jahr gilt die Anschnallpflicht auch für die hinteren Sitze.
Verpflichtend war die Verwendung von Gurten auf den Vordersitzen zwar bereits ab dem 15. Juli 1976. Eine Verletzung der Pflicht war damals allerdings nicht strafbar, sondern führte nur zu schadenersatzrechtlichen Konsequenzen bei einem Unfall.
Nicht nur in Österreichs digitalem Amt (= Link oben), sondern auch auf Infoseiten der Polizei wird von einer Gurtenpflicht gesprochen!
In Österreich leitet sich das Wort Gurtenpflicht offenbar von der Tätigkeit des sich Angurtens ab, während in Deutschland der Gurt an sich den Ausgangspunkt der Begriffsbildung darstellt.
In Deutschland gilt die Anschnallpflicht im Auto auf den Vordersitzen seit dem 1. Januar 1976. seit 1979 auch für alle Insassen auf der Rücksitzbank und hier wurde ab dem 1. August 1984 das Fahren ohne Gurt mit einem Bußgeld geahndet!
Erst seit dem 9. Mai 2006 besteht europaweit eine uneingeschränkte Anschnallpflicht.
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
picken | kleben |
pickig | klebrig |
Pickerl | Aufkleber |
(Autobahn)-Pickerl | (Autobahn)-Vignette |
Ein Pickerl kann aber auch eine Vignette mit einer Werbebotschaft sein. | Werbe-Aufkleber |
Ursprünglich wurden ja nach verwendetem Klebstoff unterschiedliche Zeitwörter verwendet, verwendete man z. B. Pech, sprach man von pichen, mit Pech bestreichen, worauf das österreichische Wort picken zurückgeht.
Bereits im 18. Jahrhundert setzte sich allerdings kleben als allgemeiner und hochsprachlicher Ausdruck durch, auch in Österreich.
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
etwas rinnt aus, z. B. Benzin rinnt aus rinnende Nasen | etwas läuft aus, z. B. Benzin läuft aus laufenden oder tropfende Nasen |
In Deutschland und Österreich, scheint es mir, gleichermaßen verständlich: Das Geld rinnt jemandem nur so durch die Finger !!!
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
Patzen | Klecks |
auspatzen | einkleckern |
patzen = einen Fehler machen
etwas verpatzen = etwas durch einen Fehler verderben – und
ein Patzer ist jemand, der einen Fehler gemacht hat!
… wann ich mi um a Diandl schau, dann woaß i scho ganz genau, rund muaß' sei', und a wengerl resch …
Koa Hiatamadl (Hubert von Goisern)
Im übertragenen Sinn heiß resch in Österreich (und in Süddeutschland) resolut.
Hauptbedeutung (- und wir rätseln schon, wieso mir dieses Wort erst nach 8 Jahren beim Anblick von frisch gekauften Brötchen, also eigentlich Semmeln, zum 1. Mal im Ruhrpott über die Lippen kommt – macht das die Abschottung durch "Corona"? Wir haben inzwischen Anfang Juni 2020 -):
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
resch | kross |
Als Steigerung zum reschen Madl, das sich Hubert von Goisern "mit Bedacht" nur ein wenig wünscht, fällt mir die Bisgurn (- im österreichischen Wörterbuch zu Recht als derb / umgangssprachlich bezeichnet -) ein:
ÖSTERREICHISCH | RUHRDEUTSCH |
Bisgurn | Zimtzicke |
Bisgurn kommt von mittelhochdeutsch bizgurra (bissige Stute) und bezeichnet eine scharfzüngige, bissige Frau.
Anmerkung: Im Gegensatz zur Schreckschraube kannst Du eine Bisgurn nicht an ihrem Äußeren erkennen! Auch sehr attraktive Wesen weiblichen Geschlechts können sich, so ihr Unmut ein gewisses Ausmaß erreicht haben, in Blitzesschnelle in eine Bisgurn verwandeln!
DER – DIE – DAS
Auslöser für die folgende Liste: Eine Freundin wird bei ihrem ersten Besuch in diesen besonderen Zeiten Eis mitbringen – zu dritt im großen Wohnzimmer mit gehörigem Abstand wird OK sein – ich antworte per WhatsApp mit "1. Danke für das Bringservice" und ernte wieder einmal zu Unrecht "Sprachkritik", denn schon des öfteren entdeckten wir für unsere "Stammsprachen" unterschiedliche Artikelverwendungen:
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
Das Service | Der Service |
Das Vokabel | Die Vokabel |
Das Monat | Der Monat |
Der Einser | Die Eins |
Die Dille | Der Dill |
ÖSTERREICHISCH | RUHRDEUTSCH |
Das Reindl | Der Kochtopf, die Kasserolle |
Jetzt wird's ein wenig amtlich
ÖSTERREICHISCH | RUHRDEUTSCH |
Anrainerverkehr | Anliegerverkehr |
Ansuchen | Antrag |
Erlagschein | Zahlschein |
Bei manchen Wörtern war mir als Österreicherin bis jetzt nicht bewusst, dass sie "nur" in der Kategorie "österreich umgangssprachlich" eingereiht sind …
ÖSTERREICHISCH | RUHRDEUTSCH |
urassen | verschwenden |
Österreichische Wörter mit französischen Wurzeln
Es werden meinem Eindruck nach in Österreich auch heute noch besonders viele Wörter, die ihren Ursprung im Französischen haben, verwendet, mehr als in Deutschland. Siehe dazu auch die Liste von Gallizismen. Hier kannst Du ja mal schauen, welche Wörter Du davon gebrauchst und welche Du zu Deiner Verwunderung in Gesprächen mit Österreicher*innen vielleicht schon gehört hast. Die nachfolgende Remise ist echt nur 1 (!) Beispiel, das mir unlängst (im Mai 2021) erst auffiel, als mein Mann wieder einmal verwundert blickte, als ich das Wort verwendete.
ÖSTERREICHISCH | DEUTSCH |
Remise – wie viele österreichischen Wörter aus dem Französischen kommend, veraltet, ein Fahrzeugschuppen, ursprünglich für Pferdefuhrwerke, heute noch die Bezeichnung für eine überdachte Endstelle der Straßenbahn. Siehe auch das Wiener Verkehrsmuseum Remise. | Depot |
Dazu kenne ich keinen deutschen Begriff
Ich erhielt soeben (Juni 2021) eine Anfrage zum Begriff "Butterabtrieb". Über Google findet sich folgende Erklärung: "Unter Butterabtrieb versteht man jene Masse, die aus mit dem Mixer flaumig gerührter Butter, Staubzucker und Eidottern entsteht. (Erst wenn das Mehl dazu kommt, spricht man von Teig.) "
Im österreichischen Wörterbuch heißt es: "Butterabtrieb (Küchensprache): schaumig geschlagene Butter".
Es handelt sich hierbei jedenfalls um einen küchentechnischen Begriff, der vorwiegend in älteren Kochbüchern explizit verwendet wurde und am ehesten dem bayrisch-österreichischen Küchenwortschatz zuzurechnen ist.
"Butter abtreiben" ist jedenfalls ein Begriff, den ich aus meinem Lebensalltag kenne und er bedeutete auch für mich immer schon – wie im österreichischen Wörterbuch beschrieben -, die Butter bei Zimmertemperatur (= mit dem Rühren erst anfangen, sobald die Butter selbst nicht mehr kalt ist!) so lange rühren, bis sie flaumig wird.
Im Duden findet sich hingegen nur das Wort "Abtrieb", was nun entweder allgemein als "der Abtrieb des Viehs von der Alm" bzw. nur im Süddeutschen und Österreichischen gebräuchlich als " cremig gerührte Masse aus Butter und/oder Ei [mit Zucker]" beschrieben wird.
Hier geht's zu meinem persönlichen deutsch-österreichischen Wörterbuch – Teil 1.